Anomalien der Koronararterien
Anomalien der Koronararterien stellen eine Gruppe angeborener Herzfehler dar, die sich durch Fehlbildungen der Koronararterien auszeichnen, u.zw. ungewöhnliche Gefäßzahl, Lage der Hauptäste, Ursprungsanomalien.
Embryologie
Intramurale koronare Arterien bilden sich aus den intramuskulären Sinusoiden, Kapillaren und Venen. Sinusoiden stellen Verbindungen zum Koronarsinus (Sinus coronarius) her. Bald danach entwickeln sich aus der Aortenbasis extramurale Gefäße, die zur Herzspitze hin herausragen. Sie erhalten durchdringende Äste, die in das Myokard penetrieren und sich mit dem primitiven Sinusoidensystem verbinden. Ähnliche Anlagen formen sich in der Basis der A.pulmonalis. Störungen auf einer der Entwicklungsstadien der Koronararterien verursachen Anomalien.
Klassifikation
- Anomaler Ursprung der linken Koronararterie (LCA) aus der A.pulmonalis;
- Anomaler Ursprung der rechten Koronararterie (RCA);
- Koronare Fisteln;
- Anomaler Ursprung der Koronararterie aus der Aorta;
- Koronararterienaneurysma bei Kawasaki-Syndrom.
Anomaler Ursprung der linken Koronararterie aus der A.pulmonalis
Anatomie
Der Ursprung der linken Koronararterie aus der A.pulmonalis ist ein seltener Defekt, der als ein selbständiger Fehler oder auch zusammen mit anderen Herzfehlern auftretet. Anomale linke Koronararterie entspringt gewöhnlich aus dem pulmonalen Sinus, der an die Aorta anliegt (bei normaler gegenseitiger Lage der Magistrale Arterien). Bei manchen Patienten entsteht Stenose der Koronararterien. Die rechte Koronararterie ist oft vergrößert, weil sie zum Hauptversorger des Herzmuskels wird. Fortschreitende Ischämie führt zur Herzdilatation, vor allem des Linken Ventrikels, sowie ausgeprägter Endokardfibroelastose, Hypertrophie und Sklerose. Nicht selten werden frische subendokardiale und transmurale LV-Myokardinfarkte diagnostiziert. Papillarmuskelinfarkt ist die Ursache für Mitralklappeninsuffizienz, die in vielen Fällen zur dominanten Pathologie wird.
Hämodynamik
Antenatal hat dieser Defekt keinen negativen Einfluss, da der Druck und Sauerstoffsättigung in Aorta und A.pulmonalis gleich sind. Die Myokarddurchblutung ist normal und es gibt keine Reize zur Entwicklung der Kollateralgefäße. Postnatal zirkuliert entsättigtes Blut in A.pulmonalis. Mit der natürlichen Muskelschichtregression der pulmonalen Gefäße sowie Druckabfall in A.pulmonalis auf Normalwert wird der Linksventrikel mit entsättigtem Blut unter Niederdruck versorgt. Zu dieser Zeit ist der kollaterale Blutfluss noch gering.
Als erste adaptive Reaktion erweitern sich die LV-Myokardgefäße, um deren Widerstand zu senken und den Blutfluss zu erhöhen. Jedoch ist die Gefäßreserve bald verbraucht, und die Myokardischämie verschärft sich. Zu Beginn tritt Ischämie intermittierend auf und entsteht nur bei Belastung durch Ernährung und Weinen. Weitergehender Anstieg des Sauerstoffbedarfs beim Myokard führt zum frontolateralen LV-Infarkt, Herzschwäche und Mitralinsuffizienz wegen der LV-Dilatation sowie dem vorderen Papillarmuskelinfarkt herbei.
LV-Myokarddurchblutung hängt vom Entwicklungstadium der Seitenäste, LCA-Druck und Blutleckagegrad in A.pulmonalis (koronares Steal-Phänomen) ab.
Diagnostik
- EchoKG, CT, MRT. Defektdarstellung, anatomische Beurteilung.
- Röntgenaufnahme der Thoraxorgane. Kardiomegalie, hauptsächlich linksseitig, sowie Zeichen der venösen pulmonalen Hypertonie.
- EKG. Linkslagetyp, im Subkompensations- und Kompensationsstadium LV-Myokardhypertrophiezeichen mit subendokardialer Ischämie. Im Kompensationsstadium klinisches Bild eines akuten Myokardinfarktes.
- Herzkatheteruntersuchung, Angiokardiographie.
Symptome
Klinische Erscheinungen hängen vom Ausprägungsgrad der Kollateralen zwischen zwei Koronarsystemen ab. Es werden zwei klinische hämodynamische Typen unterschieden, die altersbezogenen Verlauf des koronaren Blutkreislaufs bei diesem Defekt widerspiegeln: Infantiltyp (mit wenigeren interkoronaren Anastomosen) und Erwachsenentyp (viele interkoronare Anastomosen, die langzeitiges Überleben sichern).
Die Erkrankung manifestiert sich bei den meisten Patienten im Laufe der ersten Lebensmonate. Die ersten Symptome sind schlechter Allgemeinzustand, Atonie, Hautblässe, Schwitzneigung, Erbrechen, Aufstoßen, Atemnot, Tachykardie. Die Hälfte der Patienten weisen plötzliche Unruheanfälle mit verstärktem Atemnot, Blässe, Schwitzen auf. Atemnot und Diarrhöe gehören zu den typischen Symptomen dieses Defekts.
Viele Kinder im Dekompensationsstadium haben körperliche Entwicklungsstörungen. Bei ihnen entwickelt sich schnell linksseitiger Herzbuckel. Die Herzgrenzen sind vor allem nach links erweitert und zeugen von Kardiomegalie. Herztöne sind gedämpft, oft sind systolische Geräusche der MK-Insuffizienz und persistierendes systolodiastolisches Geräusch im 2. ICR links auskultierbar. Die Herzinsuffizienz ist mehr nach dem LV-Typ ausgeprägt.
Behandlung
Es stehen einige chirurgische Behandlungsmöglichkeiten für diesen Defekt zur Verfügung:
- Reimplantation der Koronararterie in die Aorta.
- Takeuchi-Operation (Herstellung eines Tunnels im Truncus pulmonalis). Dieses Vorgehen wird gewählt, wenn keine günstigen Bedingungen für eine direkte Reimplantation der LCA in die Aorta bestehen.
- Modifizierte Takeuchi-Operation. Die modifizierte Technik beinhaltet die Herstellung eines Tunnels mit Gore-Tex-Flicken. Diese Technik empfiehlt sich insbesondere in Fällen, wenn die Koronararterienmündung am linken Truncus pulmonais liegt.
- Bypass-Möglichkeiten für die Herstellung eines antegraden Flusses in der linken Koronararterie.
Anomaler Ursprung der rechten Koronararterie
1. Ursprung der rechten Koronararterie bzw. ihrer Äste aus dem linken Sinus Valsalvae.
Der Ursprung des Hauptstamms der rechten Koronararterie aus dem linken Sinus Valsalvae macht 30% aller Anomalien koronarer Arterien aus. Die Arterie liegt zwischen der Aorta und dem rechtsventrikulären Ausflusstrakt und läuft in der Vorhof-Kammer-Furche weiter und verzweigt sich normal. Diese Variante ist relativ günstig, jedoch werden Fälle mit Myokardischämie, Infarkt und plötzlichem Tod beschrieben.
2. Ursprung der rechten Koronararterie aus dem Truncus pulmonalis.
Anomale Verbindung der rechten Koronararterie mit dem Truncus pulmonalis tritt viel seltener auf, als eine solche Verbindung der linken Koronararterie. Die rechte Koronararterie entspringt aus dem rechten pulmonalen Sinus und verläuft wie üblich in der rechten atrioventrikulären Furche und verzweigt sich normal. Die linke Koronararterie ist i.d.R. erweitert, zwischen der LCA und dem rechten Koronarsystem entwickeln sich kollaterale Verbindungen, und es kommt zur Blutflussumkehr in der rechten Koronararterie. Der Defekt hat ungünstigen Verlauf beim Rechtstyp des Blutkreislaufs.. In diesen Fällen ist der Eingriff Reimplantation der rechten Koronararterie in die Aorta indiziert. Der Defekt verläuft ohne klinische Anzeichen oder EKG-Anzeichen einer Ischämie. Bei diesem Defekt ist eine chirurgische Behandlung nicht für alle Patienten angezeigt.
Koronare Fisteln
Anatomie
Koronarfisteln sind nur selten isolierte Defekte. Am häufigsten sind sie für eine Atresie der Pulmonalarterie mit einem intakten interventrikulären Septum kennzeichnend. Anatomisch gesehen ist eine Fistel ein erweitertes, gewundenes Gefäß, das mit den Herzkammern, dem Coronarsinus oder den Venen des Herzens in Verbindung steht.
Hämodynamik
Normalerweise beeinflussen Fisteln die Hämodynamik nicht signifikant, können jedoch zum verminderung des koronaren Blutflusses führen.
Diagnostik
- Koronarangiographie, EchoKG, CT, MRT. Defektdarstellung.
- Röntgenaufnahme der Thoraxorgane. Veränderungen treten bei ausgeprägtem Shunt in Form von Kardiomegalie durch Dilatation des LV und der Herzkammer, in die der Shunt gerichtet ist, auf.
- EKG. Bei einem großen Shunt entstehen Symptome der ventrikulären Myokardhypertrophie sowie ischämische Veränderungen.
Symptome
KIinische Symptome der Koronarfisteln schwanken vom asymptomatischen Verlauf bis zu ausgeprägter Herzinsuffizienz, manchmal bereits im frühen Alter. In der Regel fehlen die Symptome etwa bis zum 20.Lebensjahr. Im jungen Alter entstehen Vorhofflimmern, Müdigkeit, Atemnot unter körperlicher Belastung, ischämische Schmerzen, es kommt zum Myokardinfarkt. Bei der Untersuchung ist langes persistierendes systolodiastolisches Herzgeräusch auskultierbar, das im Unterschied zu Ductus arteriosus links und rechts parasternal besser zu hören ist.
Es existiert ein bestimmter Zusammenhang zwischen den auskultativen Erscheinungen und der Filstelmündungsstelle. Falls die Fistel in den rechten bzw. linken Vorhof mündet, dominiert die systolische Geräuschkomponente mit mittelsystolischer Verstärkung; bei der Mündung in den linken Ventrikel ist laute diastolische Komponente auskultierbar (der Shunt entsteht überwiegend in der Diastole); falls die Fistel in den rechten Ventrikel mündet, ist die mitteldiastolische Komponente lauter als die mittelsistolische.
Behandlung
Operative Behandlung ist bei Patienten mit kleiner Koronarfistel diskutierbar. Endovaskulärer Fistelverschluss ist die Methode der Wahl.
Anomaler Ursprung der Koronararterie aus der Aorta
Anatomie
Folgende Anomalien der Koronararterien, die aus der Aorta entspringen, werden unterschieden:
- Tangentialer (nach der Berührungslinie) Ursprung der Koronararterien aus der Aorta.
- Anomaler Verlaufsweg der Koronararterie zwischen der Aorta und A.pulmonalis.
- Ursprung des Hauptstamms der linken Koronararterie aus dem rechten (vorderen) Sinus Valsalvae.
- Ursprung des Hauptstamms der rechten Koronararterie aus dem linken Sinus Valsalvae.
- Einzige Koronararterie.
- Intramuraler Verlauf der Koronararterie.
- Myokardbrücken („myocardial bridges“).
Diagnostik
Diagnostik erfolgt mit Herzkatheteruntersuchung, Angiokardiographie, EchoKG, CT, MRT.
Behandlung
Die Behandlung umfasst Verlagerung oder Plastik der Koronararterie.
Koronararterienaneurysma bei Kawasaki-Syndrom
Aneurysma als Folge des Kawasaki-Syndroms bedarf selten eines chirurgischen Eingriffs (bei dieser Erkrankung sind Aneurysmen der Koronararterien sehr oft rückgängig), bis auf die Fälle, wenn eine Ruptur bzw. Thrombose des Aneurysma droht. Die Operation besteht in der Resektion des Aneurysma und Bypass der Koronararterie oder Abbindung im Anfangs- und Endbereich mit aortokoronarem Bypass unter dem Aneurysma.