Ventrikelseptumdefekt
Bei diesem Herzfehler ist die Herzscheidewand zwischen den Ventrikeln nicht vollständig verschlossen.
Embryologie
Zuerst wird der muskuläre Teil des Ventrikelseptums gebildet. Es wächst von der Herzspitze bis zu den Vorhöfen und besteht aus ineinander verschlungenen Muskelsträngen. Der Teil, der sich nicht gebildet hat (oben), wird als interventrikuläres Fenster bezeichnet. Dann bildet sich das aortopulmonales Septum, das Ausflusstrakt in die Aorta und den Lungenstamm unterteilt. Zusammen mit dem Septum bilden sich zwei Falten, die spiralförmig wachsen. Während dieser Rotation verbinden sie sich mit dem Muskelseptum und bilden den membranösen Teil des Septums, der das sog. interventrikuläre Fenster schließt. Aber die sekundäre interventrikuläre Öffnung bleibt offen. Das Wachstum der Endokardkissen führt zur Trennung der Vorhöfe sowie zur endgültigen Bildung des membranösen Teils. Wenn einer dieser Prozessen verletzt wird, tritt ein Defekt auf.
Anatomie
Das Ventrikelseptum ist keine flache Struktur oder gerade Wand, es ist normalerweise gekrümmt. Von der Seite des linken Ventrikels hat das Septum eine glatte Struktur mit kleinen Trabekeln, wie der linke Ventrikel selbst. Von der Seite des rechten Ventrikels, ist das Septum trabekulär, insbesondere im Bereich der Herzspitze. Die Trabekularität ist Im Auslassbereich des rechten Ventrikels weniger ausgeprägt, insbesondere im Bereich des Konusseptums. Vom Konusseptum geht das Septumbündel, das sich nach unten ausdehnt und sich in Form eines Strangs mit dem vorderen Papillarmuskel des Trikuspidalklappe verbindet. Konusseptum befindet sich zwischen dem hinteren unteren und dem anteroposterioren Rand des Ventrikelseptums. Das Ventrikelseptum ist in folgende Teile unterteilt: Pars membranacea, Einlass-Teil, Pars muscularis ,- Auslass- Teil und konisch. In jedem Teil können sich Defekte bilden, und jeder von ihnen ist für bestimmte komplexe Defekte typisch. Die häufigste unabhängige KHK ist ein Defekt im membranösen Teil des interventrikulären Septums.
Hämodynamik
VSD verursacht antenatal keine wesentlichen Kreislaufveränderungen, was auf hohen Widerstand der Lungengefäße zurückzuführen ist. Hämodynamische Störungen treten erst postnatal, am 3.-5. Tag post partum, mit der Veränderung des pulmponalen Gefäßwiderstandes (Rp) auf. Schrittweiser Druckabfall im Pulmonalarteriensystem sowie im rechten Ventrikel erzeugt eine Druckdifferenz zwischen den Ventrikeln, wodurch Links-rechts-Shunt (aus dem Hochdruck- in den Niedrigdruckbereich) entsteht. Hämodynamische Konsequenzen des VSD hängen vor allem von der Defektgröße und dem gesamten Lungenwiderstand ab. Um den Ausmaß des Defekts zu bestimmen, wird deren Größe mit dem Aortendurchmesser verglichen.
Klassifikation
Nach Lokalisation:
- Perimembranöser VSD. Liegt im membranösen Ventrikelseptum und ist durch AV-Klappe begrenzt. Häufigkeit: Bis zu 70%. Da das eigentliche membranöse Septum klein ist, erstreckt sich der Defekt i.d.R. auch auf das anliegende Muskelgewebe.
- Muskulär. Der Defekt ist rein muskulär begrenzt. Häufigkeit: Bis zu 20%. Solche Defekte können mehrfach vorkommen, Extremfall nennt sich Swiss-cheese-Defekt.
- Infundibulär (subaortal). Den oberen Rand des Defekts bilden Semilunarklappen. Häufigkeit: 5 bis 7% aller Defekte (bis zu 30% im Orient).
- AV-Kanaltyp. Im Vergleich zum perimembranösen Defekt liegt dieser tiefer, unter dem Septumsegel der Trikuspidalklappe.
Nach Große:
- Kleine Defekte machen unter 25% des Aortendurchmessers aus.
- Mittlere Defekte entsprechen zwischen 25% u. 75% des Aortendurchmessers.
- Große Defekte überschreiten 75% des Aortendurchmessers.
Nach dem Druckgrad in den Ventrikeln:
- Restriktiv (hoher systolischer Druckgradient zwischen den Ventrikeln)
- Nicht restriktiv (kein oder unbedeutender systolischer Druckgradient)
Diagnostik
- Farbdoppler-Echokardiographie, Transösophageale Echokardiographie. Das wichtigste Diagnosemerkmal ist die unmittelbare Visualisierung des Defekts. Diese Untersuchung liefert sowohl morphologische, als auch hämodynamische Daten: Größe, Lage, Anzahl der Defekte usw.
- Röntgenthoraxaufnahme. Patienten mit geringen Defekten weisen oft keine Veränderungen auf. Wesentliche Veränderungen der Lungenstrukturen erscheinen bei Qp/Qs 2:1 und mehr: Vergrößerung des Herzschattens, verstärkte Lungengefäßzeichnung, Erweiterung der A.pulmonalis.
- EKG. Meistens normaler Befund. Veränderungen werden bei Patienten mit großen Shunts mit Blutflusserhöhung festgestellt – es finden sich Überlastungszeichen vom linken Ventrikel und Vorhof.
- CT, MRT. Empfehlenswert bei komplexer Defektanatomie sowie mehreren angeborenen Herzfehlern.
- Herzkatheteruntersuchung. Indikationsbezogen zur Berechnung hämodynamischer Werte sowie Operabilitätsprüfung.
Symptome
Die Symptomatik dieses Defekts hängt von VSD-Typ und -Größe ab. Holosystolisches bzw. frühsystolisches Geräusch links unten parasternal. Das Geräusch ist grob und laut bei kleinen und eher weich und weniger intensiv bei großen Defekten. In den ersten Lebenswochen kann das Geräusch wegen dem hohen Widerstand der pulmonalen Gefäße sowie bei fehlendem Shunt durch das Loch komplett fehlen.
Kinder werden fristgerecht geboren, oft wird mäßiggradige angeborene Hypotrophie diagnostiziert. Wird begleitet von Wachstums- und Entwicklungsretardierung, erneuten pulmonalen Infekten, Belastungstoleranzstörung, es entwickelt sich schrittweise Herzinsuffizienz.
Sichtbare klinische Erscheinungen: Holosystolisches bzw. frühsystolisches Geräusch links unten parasternal, systolisches Zittern über dem 3.-4. ICR links parasternal, Herzgrenzenerweiterung im Querschnitt und nach oben, II. Tonakzent im 2. ICR links parasternal. Es kommt zur Abschwächung der Symptome (Stadium der relativen Kompensation) durch intensives Wachstum und anatomische Entwicklung des Körpers. Es können spezifische Geräusche auskultierbar sein.
Behandlung
Das Therapievorgehen bei Ventrikelseptumdefekten (VSD) hängt von hämodynamischen Verhältnissen und der Prognose ab. Chirurgischer Eingriff empfiehlt sich bei Patienten mit Qp / Qs von über 2: 1, falls klinische Zeichen einer LV-Überlastung bestehen.
Die Fristen für einen chirurgischen Verschluss sind variabel und hängen vom Defekttyp und der Klinik ab. Große VSDs mit unkontrollierbarer Stauungs-Herzinsuffizienz werden dringend operiert.Fristen für operativen Verschluss:
- Großer VSD mit unkontrollierbarer Stauungs-Herzinsuffizienz: dringend.
- Großer VSD mit pulmonaler Hypertonie: im 3.-6. Lebensmonat.
- Mittelgradiger VSD mit Druck in A.pulmonalis 50-66 mm Hg bez. auf Systemdruck: zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr. Früher, wenn ein lebensbedrohlicher Zustand im Zusammenhang mit pulmonaler Infektion bzw. gestörte Körperentwicklung in der Anamnese vorhanden sind.
- Kleiner VSD mit Normaldruck in A.pulmonalis und Links-rechts-Shunt (Qp/Qs) >1,5:1: Operation im Alter von 2 bis 4 Jahren.
- Kleiner VSD (<3mm) mit Blutabfluss ohne Prolaps des Aortenklappensegels: 1-2 Jahre unter Verlaufskontrolle zur Einschätzung der Prolapsentwicklung an der Aortenklappe.
Korrekturmethoden:
- Einstufige Totalkorrektur – vollständiger Defektverschluss (mit direkter Naht oder mit Hilfe eines Flickens).
- Zweistufige Korrektur. Falls totale Operation nicht möglich ist, kann der Eingriff zweistufig verlaufen: Pulmonalarterien-Banding (Druckreduktion im System A.pulmonalis), nach einigen Monaten – Totaloperation.
- Röntgen-endovaskuläre VSD-Okklusion – eine VSD-Verschlusmethode, die bei Kindern mit trabekulärem, perimembranösem VSD eingesetzt werden kann. Es gibt eine signifikante Anzahl von Kontraindikationen und Komplikationen für diese Methode.