Traumata des äußeren Ohres
Zu dieser Gruppe von Pathologien gehören mechanische Verletzungen der Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges. Diese Erkrankungen haben unterschiedlichen Grad der Verletzung, sie variieren in ihrem ätiologischen Faktor sowie Mechanismus des Traumas.
Klassifikation
1. Oberflächliche Traumata des äußeren Ohres:
- Othämatom
- Prellung der Ohrmuschel
- Schürfungen an der Ohrmuschel
- Schürfung am äußeren Gehörgang
- Hämatom des äußeren Gehörgangs
2. Tiefe Traumata des äußeren Ohres
- Platzwunde an der Ohrmuschel
- Avulsion der Ohrmuschel:
- Komplette Avulsion der Ohrmuschel
- Partielle Avulsion der Ohrmuschel
- Avulsion des Ohrläppchens
3. Verbrennungen der Ohrmuschel:
- Verbrennung 1. Grades
- Verbrennung 2. Grades
- Verbrennung 3A. Grades
- Verbrennung 3B. Grades
- Verbrennung 4. Grades
4. Erfrierungen der Ohrmuschel:
- Erfrierung 1. Grades
- Erfrierung 2. Grades
- Erfrierung 3. Grades
- Erfrierung 4. Grades
Ätiologie
Oberflächliche und tiefe Traumata der Ohrmuschel entstehen durch eine mechanische Einwirkung (Verletzungen, Schläge, Stürze, Bisse, Unfälle) Traumata des Gehörgangs kommen häufig bei der Entfernung des Ohrenschmalzes aus dem Ohr oder durch Fremdkörper im Ohr zustande. Das Ausmaß der Verletzung hängt von der Kraft der Einwirkung und dem Wesen des Traumas ab. Verbrennungen und Erfrierungen werden durch die Einwirkung eines schädigenden thermischen Faktors (Feuer, Kälte) verursacht.
Anatomie
Bei der Einwirkung mechanischer bzw. thermischer Faktoren auf die Ohrmuschelregion kommt es zur eine Schädigung von Gewebe, die unterschiedliche Tiefe haben kann. Ein Othämatom entsteht, wenn eine ausgeprägte stumpfkantige Gewalt auf die Ohrmuschel einwirkt. Dabei platzen die Gefäßwände zwischen dem Perichondrium und dem Knorpel mit Herausbildung eines abgegrenzten Ergusses, der ein verformtes Aussehen der Ohrmuschel verursacht. Die Ohrmuschel selbst wird cyanotisch
und wölbt sich vor. Bei einem milderen stumpfen Trauma entsteht eine Prellung, die sich durch eine Erschütterung von Weichteilen auszeichnet. Am stärksten betroffen sind kleinere Gefäße, dabei bleibt die Haut intakt und es kommt zur Hyperämie und Infiltration der Ohrmuschel. Schürfungen an der Ohrmuschel und am äußeren Gehörgang stellen eine teilweise Schädigung der Epidermis, die Wunde wird schnell mit einer hämorrhagischen Kruste bedeckt und kann ggf. spärlich bluten. Ein Hämatom des Gehörgangs stellt eine Verletzung von subkutan gelegenen Gefäßen dar. Dabei bildet sich eine eingegrenzte Blutansammlung, die sich vorwölbt und eine Verengung von Gehörgangslumen unterschiedlichen Grades verursacht. Die Haut über dem Hämatom verfärbt sich nach zyanotisch.
Tiefe Schädigungen der Ohrmuschel entstehen durch unterschiedliche Traumata: Sport- und Alltagsverletzungen, Arbeitsunfälle (bei fahrlässiger Nutzung von Haushaltsgeräten und Bauwerkzeugen), Tier- und Menschenbisse, Stürze sowie mangelnde Vorsicht beim Tragen von Ohrpiercing. Komplette Avulsion der Ohrmuschel als Alltagsverletzung kommt eher selten vor und entsteht häufig durch Unfälle, bei Kampfsport (wie Boxen) oder Schlägerei. Diese Arten von Traumata zeichnen sich durch eine Verletzung der Hautintegrität, Schädigung von anliegendem Gewebe, subkutanem Fettgewebe, Gefäßen und manchmal auch der Knorpel und gehen mit einer ausgeprägten Blutung und Schwellung einher.
Durch die Einwirkung von extrem hohen Temperaturen, offenem Feuer sowie erhitzten Gegenständen und Substanzen entstehen Verbrennungen. Bei Verbrennungen 1. Grades kommt es zur oberflächlichen Epidermisschädigung, die Haut wird lokal hyperämisch. Bei Grad 2 sind alle Epidermisschichten betroffen, auf der hyperämischen und infiltrierten Haut entstehen Blasen, die mit einer serösen oder hämorrhagischen Flüssigkeit gefüllt sind. Für Verbrennungen 3A. Grades ist Nekrose der oberflächlichen Hautschichten typisch, dabei bleiben die Schweiß- und Talgdrüsen sowie Haarzwiebeln erhalten; die Blasen sind mit seröser Flüssigkeit gefüllt, das Wundbett ist schmerzhaft. Bei Verbrennungen 3B. Grades sind alle Hautschichten und das subkutane Fettgewebe geschädigt mit Nekrose, tiefen Wunden und Blasen mit hämorrhagischem Inhalt. Bei Verbrennungen 4. Grades entsteht totale Nekrose, tiefliegendes Gewebe, Knochen und Knorpel sind betroffen. Bei Verbrennungen der Ohrmuschel kann auch der äußerer Gehörgang mitbeschädigt sein.
Bei der Einwirkung extrem niedriger Temperaturen entstehen Erfrierungen der Ohrmuscheln, da sie zu den Körperteilen gehören, die am weitesten von der Körperoberfläche herausragen. Erfrierung 1. Grades zeigt sich durch eine Schädigung der oberflächlichen Hautschichten sowie Blässe und Marmorierung der Ohrmuschelhaut mit Hyperämie ihrer Ränder und der herausragenden Abschnitte. Bei Erfrierungen 2. Grades sind ebenfalls die oberflächlichen Hautschichten betroffen, unter Hyperämie entstehen seröse Blasen. Bei Erfrierungen 3. Grades entsteht Nekrose der gesamten Hautschichten, die Ohrmuschel ist hyperämisch und infiltriert, die Blasen sind mit serös-hämorrhagischem Inhalt gefüllt. Die Ohrmuschel ist nicht schmerzempfindlich. Erfrierung 4. Grades zeichnen sich durch die Affektion der gesamten Haut, des subkutanen Fettgewebes und der darunter liegenden Schichten (Knochen, Knorpel) aus, dabei ist die Haut intensiv hyperämisch, zyanotisch, es kommt zum trockenen Gangrän distaler Abschnitte und Empfindungslosigkeit.
Klinik
Bei oberflächlichen Ohrtraumata entsteht akuter Schmerz bei der eigentlichen Verletzung, anschließend bleiben Unwohlsein und nagender Schmerz, die Ohrmuschel wird ödematös und verfärbt sich. Im Zuge der Genesung werden alle durch die Verletzung verursachen Veränderungen rückläufig. Bei der Verletzung der Hautintegrität in Form von Schürfungen kommt es zu geringer Blutung, die beschädigten Stellen werden mit hämorrhagischen Krusten bedeckt und heilen unter der Kruste ab. Othämatom zeichnet sich durch ausgeprägte Schmerzen und ein verändertes Aussehen der Ohrmuschel aus. Sie ist geschwollen, die ödematöse Stelle fluktuiert, häufiger an der äußeren Seite, im Bereich der Fossa scaphoidea und der Fossa triangularis. Die Haut erhält eine zyanotische Verfärbung. Wenn keine Behandlung mit Drainage des Hämatoms erfolgt kommt es häufig zur Verformung des Knorpels mit Veränderung der Ohrmuschelform, wobei ein „Blumenkohlohr“ oder ein „Ringerohr“ entsteht. Bei größeren Hämatomen der Gehörganges, die das Lumen verschließen, kann es zu Schalleitungsstörungen kommen. Tiefe Traumata der Ohrmuschel sind ausgeprägt schmerzhaft, sie bluten stark und die Wundränder sind zerklüftet. In manchen Fällen wird tiefer liegendes Gewebe einschl. Knorpel und Knochengewebe sichtbar. Die Wundränder können unterschiedliche Konfiguration haben, abhängig von den auslösenden Ursachen. Tiefliegend in der Wunde können sich Fremdkörper, Schmutz und Ohrringteile befinden.
Verbrennungen der Ohrmuschel haben unterschiedliche gradabhängige Klinik, sie wurde bereits früher erwähnt. Es sei erwähnt, dass isolierte Verbrennungen des Ohres äußerst selten sind und die behaarte Kopfhaut, Gesicht, Hals und andere Körperteile häufig mitbetroffen sind. Bei großflächigen Verbrennungen kann Verbrennungskrankheit auftreten. Die Allgemeinsymptomatik beinhaltet ausgeprägte Schmerzhaftigkeit ohne Blutung. Bei Verbrennungen 3B. und 4. Grades ist das Wundbett schmerzlos und es bildet sich eine nekrotische Kruste.
Klinische Veränderungen bei Erfrierungen sind auch oben beschrieben. Typisch ist, dass der betroffene Bereich bei der eigentlichen Erfrierung schmerzlos bleibt und erst beim Aufwärmen Dyskomfort entsteht, die betroffene Stelle juckt, brennt und ist sehr schmerzhaft, Taubheitsgefühl und Parästhesien treten auf.
Diagnostik
Zur Diagnose traumatischer Schädigungen der Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges reichen meistens eine Anamneseerhebung und klinischer Befund aus. In manchen Fällen erfolgen Röntgenographie und Computertomographie des Schläfenbeins und des Kiefergelenk zur Präzisierung des Umfangs der Verletzung.
Therapie
Schürfungen an der Ohrmuschel und am Gehörgang werden mit aseptischen Lösungen behandelt, bei einer Infektion können Antibiotika-Salben zum Einsatz kommen. Unter der Kruste kommt es zu schneller Epidermisbildung und die Wunde heilt ab. Das Othämatom wird unter sterilen Bedingungen punktiert und drainiert. Es folgt die Anlage eines Druckverbandes, der bei großflächigen Hämatomen an die Ohrmuschel angenäht wird. Zur Prophylaxe von Sekundärinfektion und Perichondritis werden systemische Antibiotika verordnet. Hämatom des Gehörganges wird auch drainiert mit anschließender dichter Tamponade, die täglich mit antiseptischen Lösungen getränkt wird.
Bei tieferen Schädigungen des Ohres erfolgt primäre chirurgische Behandlung, die Wundränder werden vernäht. Bei einer teilweisen Avulsion wird abgestorbenes Gewebe maximal schonend exzidiert. Der Knorpel, subkutanes Fettgewebe und die Haut werden schichtweise vernäht. Bei einer kompletten Avulsion der Ohrmuschel erfolgt eine Vitalitätsprüfung des Amputats - die Toleranzzeit von max. 6 Stunden bis zu einer Wiederannaht sollte nicht überschritten werden, wobei der amputierte Ohrteil gekühlt gelagert wird. Beim Bestehen von notwendigen Voraussetzungen erfolgt eine Replantation mit anschließender antibakterieller Therapie und Thromboseprophylaxe sowie täglichem Verbandwechsel.
Die verbrannten Stellen werden gespült und die verbrannten Kleidungsreste und Haare sowie das nekrotische Gewebe entfernt. Die Wunden werden mit aseptischen Lösungen behandelt, gekühlt und ein steriler Verband wird aufgelegt. Vor einem Verbandwechsel ist eine entsprechende Anästhesie herbeizuführen. Bei Verbrennungen 2. und 3. Grades werden großflächige Brandblasen aufgeschnitten und exzidiert. Bei Verbrennungen 3. und 4. Grades wird der Brandschorf durch Schneiden im lebensfähigen Gewebe exzidiert. Bei täglichem
Verbandwechsel werden mikrobizide Wundheilmittel aufgetragen. Zur Prophylaxe einer Narbenstenose des äußeren Gehörganges erfolgt dessen straffe sterile Tamponade, die täglich mit antiseptischen Lösungen getränkt wird. Bei einer sekundären bakteriellen Infektion werden systemische Breitbandantibiotika verordnet, wobei eventuelle Resistenzen berücksichtigt werden. Bei großflächigen Verbrennungen 3b. und 4. Grades ist eine stationäre Aufnahme von Patienten in chirurgische Abteilung bzw. Abteilung für Verbrennungen, wo sie notwendige Therapie erhalten, ggf. erfolgt anschließend eine Hauttransplantation.
Das Therapieschema von Erfrierungen ist ähnlich dem der Verbrennungen, nur wird der betroffene Körperteil zuerst aufgewärmt. Der Patient wird in einen warmen Raum gebracht und bekommt reichlich warme Getränke. Die Ohrmuschel wird langsam und schonend, ohne Reibung aufgewärmt. Die passenden Mittel sind warme und sterile Furacin-Lösungen, Kochsalzlösung, warme Kompressen, sanfte Massage mit warmen sauberen Händen. Bei ausgeprägten Schmerzen ist entsprechende Schmerztherapie angezeigt. Das geschädigte Gewebe wird gespült und mit Antiseptika behandelt. Bei Blasen und Brandschorf wird nekrotisches Gewebe exzidiert und ein Verband mit mikrobiziden Wundheilsalben aufgelegt. Bei Erfrierungen 3. und 4. Grades wird systemische antibakterielle Therapie verordnet. Sofern angezeigt werden diese Patienten auch in eine chirurgische Abteilung bzw. Abteilung für Verbrennungen stationär aufgenommen. Als Langzeitfolgen können sich Neuropathie mit Taubheitsgefühl und Kälteüberempfindlichkeit entwickeln.
Bei allen Patienten mit Wunden, Verbrennungen und Erfrierungen erfolgt notfallmäßige Tetanusprophylaxe. Bei Bissverletzungen ist auch Tetanusprophylaxe angezeigt.










