Hypertrophie der Gaumenmandeln
Hypertrophie der Gaumenmandeln (Tonsillenhyperplasie) ist ein vorübergehender Zustand, eine Vergrößerung des lymphatischen Gewebes der Gaumenmandeln, die in der Mundhöhle zwischen den vorderen und den hinteren Gaumenbögen liegen, ohne Zeichen einer chronischen Entzündung.
Klassifikation
Nach Hypertrophiegrad:
- Hyperthrophie 1. Grades
- Hyperthrophie 2. Grades
- Hyperthrophie 3. Grades
Nach Lokalisation des Prozesses:
- einseitige Hypertrophie
- doppelseitige Hypertrophie
Ätiologie
Hypertrophie der Gaumenmandeln ist eines der häufigsten Zustände bei Kindergarten- und Schulkindern (ca. 25 Fälle pro 1000 Kinder). Sie kann mit einer Rachenmandelhyperplasie (Adenoide) einhergehen sowie einzeln auftreten. Diese Erkrankung wird mit einer gleichen Häufigkeit bei männlichen und weiblichen Patienten diagnostiziert, wobei die größte Inzidenz bei Kindern ab 3 Jahren bis Pubertät vorliegt, gefolgt von einer Involution des lymphatischen Gewebes (das Immunsystem hat sich entwickelt). Jedoch bleibt Hypertrophie bei einigen Menschen das ganze Leben lang bestehen.
Diese Erkrankung ist polyätiologisch und kann außer Anpassungshintergründen auch durch allergische (lymphatische Diathese) bzw. endokrine (Nebennierenunterfunktion) Störungen ausgelöst werden. Es sei erwähnt, dass Hypertrophie der Gaumenmandeln als Reaktion auf äußere Reizfaktoren wie Schleimfluss aus dem Nasopharynx entlang der hinteren Rachenwand, stetige Atmung durch den Mund bei behinderter Nasenatmung wegen Rachenmandelentzündung. Aktuell werden GERD (gastroösophageale Refluxkrankheit) und reizende Wirkung der Salzsäure als getrennte Ursache betrachtet.
Die Tonsillen sind Organe des Immunsystems, die am lokalen Schutz der Schleimhaut der oberen Atemwege beteiligt sind. Ihre vorübergehende Hypertrophie ist eine Reaktion des Organismus auf den Kontakt mit fremden Antigenen (Viren, Bakterien), bei der im lymphatischen Gewebe der Gaumenmandeln erworbene Immunität und IgA und IgG (primäre Immunreaktion) gebildet werden und bei einem erneuten Kontakt mit den gleichen Krankheitserregern T-Lymphozyten von den bereits gebildeten Immunglobulinen (eine stärkere sekundäre Immunantwort) erzeugt werden. Jedoch sind die durch das unreife Immunsystem gebildeten T-Lymphozyten nicht ganz funktionsfähig und als Ausgleich werden sehr viele davon gebildet, wobei eine aktive Proliferation des lymphatischen Gewebes stattfindet.
Anatomie
Der Hypertrophiegrad der Gaumenmandeln hängt von deren Lage im Verhältnis zum Rachenlumen - Preobrashenski-Klassifikation:
Grad I – das Tonsillengewebe nimmt 1/3 der Strecke vom Rand des vorderen Gaumenbogens bis zum Zäpfchen bzw. Rachenmittellinie.
Grad II – hypertrophierte Tonsille nimmt 2/3 der genannten Strecke.
Grad III – die Tonsillen reichen bis zum Zäpfchen, kontaktieren miteinander oder überlappen sich.
Wie bereits erwähnt, können die Gaumenmandeln unsymmetrisch hypertrophiert sein. Das veränderte Gewebe ist blass-rosig, locker, höckerig, glänzend, inhomogen und weisen manchmal gekräuselte Krypten auf. Die Tonsillen dürfen nicht mit Gaumenbögen verschmolzen oder vernarbt sein, bei Palpation lassen sie sich leicht aus den Gaumennischen herausziehen. Die Krypten haben keinen pathologischen Inhalt (diese Zeichen weisen auf eine chronische Entzündung). Hystologisch findet sich vorrangig lymphatisches Gewebe, bei der die Anzahl der Lymphfollikeln zunimmt, aber weder Plasmazellen noch Makrophagen anwesend sind.
Klinik
Gaumen- und Rachenmandelhyperplasie kann sowohl asymptom verlaufen, als auch bestimmte Beschwerden seitens des Patienten (bei Hypertrophie 2. bis 3. Grades) hervorrufen. Häufig ist das das einzige Problem, auf das die Eltern hinweisen, ist Schnarchen beim Kind. Bei der Anamneseerhebung stellt es sich heraus, dass das Kind dauernd schnarcht, unabhängig von der Schlafposition. Der Betroffene wacht nachts oft auf und erholt sich nicht ausreichend, wodurch er tagsüber abgeschlagen und unaufmerksam bleibt. In Kombination mit Tonsillenhyperplasie kann es zu kurzzeitigen Atemaussetzern (Apnoe) kommen. Bei ausgeprägter Hypertrophie kommen Schluckbeschwerden, ein Klossgefühl im Hals hinzu, das Kind beschwert sich über das Gefühl, „dass etwas im Hals stört“. Die Sprache des Kindes wird kloßig, unklar, es treten Dysphoniezeichen auf. Bei einer hohen Lage der Gaumenmandelpolen und deren ausgeprägter Hypertrophie ist die Tubenmündung ständig verschlossen, was Stauungserscheinungen im Mittelohrraum mit exsudativer Otitis sowie eine Hörminderung auslöst.
Diagnostik
Zur Diagnosestellung der Tonsillenhyperplasie reicht eine otophyryngoskopische Untersuchung sowie Anamneseerhebung aus, Labortests kommen nicht zum Einsatz.
Differentialdiagnosen sind chronische Tonsillitis, Erkrankungen des Blutbildungssystems (Leukämie) und Neubildungen der Gaumenmandeln, u.a. bei einseitiger Hypertrophie.
Therapie
Sofern angezeigt, erfolgt eine chirurgische Therapie – Entfernung der Gaumenmandeln. Bei Vorschulkindern erfolgt meistens Tonsillotomie – teilweise Entfernung hypertrophierter Abschnitte, bei älteren Patienten erfolgt Tonsillektomie, bei der das gesamte Gaumenmandelgewebe mit Kapsel innerhalb der Tonsillennischen erntfernt wird. Sofern Indikationen dazu vorliegen, erfolgt zusätzlich eine Adenotomie (Entfernung der Rachenmandel). Die Hauptindikation für einen operativen Eingriff sind Apnoe, rezidivierende exssudative Otitis media, ausgeprägte Sprachstörungen. Der Eingriff erfolgt routinemäßig in Vollnarkose und unter stationären Bedingungen, sofern keine Gegenindikationen (Blutgerinnungsstörung, akute Entzündungsprozesse) bestehen. Konservative Behandlung ist in der Regel unwirksam, in einigen Fällen kommen homöopathische Mittel zum Einsatz, jedoch ohne aktuelle wissenschaftliche Daten, die die Effizienz dieser Behandlungsmethoden nachweisen würden.










