VOKA

Ohrtumoren

Inhaltsverzeichnis
Klassifikation Ätiologie Anatomie Klinik Diagnostik Therapie

Atherom des Ohrläppchens ist eine benigne Weichteilmasse tiefliegend im Ohrläppchen, die eine Talgdrüsenzyste darstellt.

Hauthorn (Cornu cutaneum, Fibrokeratom) ist eine gutartige prämaligne Erkrankung der Ohrmuschelhaut.

Basalzellkarzinom (kurz BCC) der Ohrmuschel (Basaliom) ist ein maligner Hauttumor, der seinen Ursprung in der unverhornten Basalschicht der Epidermis nimmt und als der häufigste Hauttumor gilt.

Plattenepithelkarzinom (Karzinom) der Ohrmuschel ist ein bösartiger Hauttumor, der von verhornenden Plattenepithelzellen ausgeht. Dies ist die zweithäufigste Tumorart nach Basalzellkarzinom.

Glomustumor (Paragangliom) ist ein benigner Tumor der Paukenhöhle im Bereich des Plexus tympanicus (Nervengeflecht der Paukenhöhle) bzw. Bulbus venae jugularis internae (Knolle der inneren Drosselvene).

Angeborenes Cholesteatom ist ein Krankheitsbild, bei dem eine tumorartige Formation der Paukenhöhle während der Embryogenese ohne vorherige Entzündung und bei einem intakten Trommelfell gebildet wird.

Schwannom des Nervus vestibulocochlearis (Hör- und Gleichgewichtsnerv) ist ein gutartiger Tumor, der von den Zellen der Myelinscheide des Nervus vestibulocochlearis ausgeht.

Klassifikation 

Bildungen des äußeren Ohres:

  • Atherom des Ohrläppchens
  • Hauthorn der Ohrmuschel
  • Basalzellkarzinom (kurz BCC) der Ohrmuschel (Basaliom)
  • Plattenepithelkarzinom (Karzinom) der Ohrmuschel     

Bildungen des Mittelohrs:

  • Glomustumor (Paragangliom)
  • Angeborenes Cholesteatom

Bildungen des Innenohrs:

  • Schwannom des Nervus vestibulocochlearis

Ätiologie 

Ein Atherom des Ohrläppchens entsteht durch einen Verschluss des Talgdrüsenausführungsgangs. Prädisponierende Faktoren sind hier enge Ausführungsgänge, Hypersekretion von Talg, Störungen des endokrinen Systems sowie unzureichende Hygiene. Bei einer sekundären Infektion kann es zur Vereiterung der Zyste kommen.

Die Ursachen für Hauthorn (Cornu cutaneum) sind bisher nicht ganz geklärt. Ein Cornu cutaneum kommt häufig bei älteren Leuten vor, besonders an mechanisch exponierten Stellen. Zu den Risikofaktoren gehört auch Einwirkung der UV-Strahlung, Nachweis einer HPV-Infektion (humanes Papillomvirus), Cornu cutaneum bei nahen Angehörigen.

Basalzellkarzinom (kurz BCC) der Ohrmuschel (Basaliom) ist der häufigste bösartige Hauttumor und entsteht durch die aggressive Einwirkung der UV-Strahlung. Risikofaktoren sind hier helle Hautfarbe, andauernde Lichtexposition, einschl. Arbeit im Freien.

Plattenepithelkarzinom wird auch durch die übermässige Einwirkung der UV-Strahlung verursacht. Häufiger entarten maligne pathologisch veräderte Gewebe wie aktinische Keratose, chronische Ulzerationen und Narben.

Glomustumor (nicht-chromaffines Paragangliom) ist der häufigste Mittelohrtumor. Die Ursachen dafür sind bisher nicht klar. Diese Tumore treten sporadisch auf, jedoch wurde bei 10 % der Betroffenen eine genetische Determinante festgestellt.

Beim angeborenen Cholesteatom ist die genaue Ätiologie auch nicht bekannt. Es existieren einige Theorien ihrer Herkunft, wobei die meisten auf einer gestörten Zellmigration bei der Embryogenese entweder vor dem Zeitpunkt der endgültigen Ausbildung des Anulus fibrocartilagineus beruhen oder bei einem reifen Trommelfell durch Mikroperforationen bei einem intrauterinen Infekt ausgelöst werden, die postnatal abheilen. Laut einer der Theorien finden sich im Fruchtwasser der Paukenhöhle von Neugeborenen Hornzellen, die Keratin produzieren und als eine Matrix für Cholesteatom dienen.

Schwannom des Nervus vestibulocochlearis (vestibuläres Schwannom, Akustikusneurinom (kurz AKN oder AN)) ist ein langsam wachsender Tumor mit einer klar differenzierten Kapsel, der von den Zellen der Myelinscheide (Schwann’schen Zellen) ausgeht. Die Inzidenz und Ätiologie sind unklar. Häufiger tritt diese Formation bei Personen mit einer Neurofibromatose Typ 2 auf.

Anatomie 

Atherom des Ohrläppchens ist eine kugelförmige Formation von kleinem Durchmesser mit einer Kapsel tiefliegend im Ohrläppchen, deren Hohlraum mit weißlichem Detritus (Hauttalg) gefüllt ist. Bei einer Infektion kann es zur Vereiterung des Atheroms kommen. Es vergrößert sich um ein Vielfaches, die Haut darüber wird hyperämisch, ggf. mit Fluktuation, und es ist schmerzhaft bei Palpation.

Der Hauthorn (Cornu cutaneum) ist eine dichte, deutlich über das Hautniveau erhabene, fleischfarbene, keratinisierte Hautwucherung mit deutlichen Konturen, die aus der Epidermis stammt. Eine Ulzeration ist dabei nicht typisch, das Knorpelgewebe der Ohrmuschel bleibt intakt. Die Länge (1-2 cm) übersteigt die Größe der Basis. Cornu cutaneum ist gekennzeichnet durch langsames Wachstum und das Fehlen von Metastasen in den regionären Lymphknoten.

Es werden mehrere Subtypen des Basalzellkarzinoms (kurz BCC) der Ohrmuschel (Basaliom) unterschieden:

1. Noduläre Form (dichte Papel mit abgerundeten Rändern, die über die Hautoberfläche hinausragt, ggf. mit einer Geschwür oder Kruste in der Mitte),

2. Superfizielle Form (erythematöse Schuppe, kleiner Durchmesser, mit unregelmäßigen Rändern und ungleichmäßiger Farbe),

3. Ulzerierte Form (Hautdefekt mit exkavierten, unregelmäßigen Rändern),

4. Pigmentierte Form (Platte, die über die Hautoberfläche hinausragt, von dunkler Farbe),

5. Morpheaartige Form (flache, wachsartige, schlecht begrenzte Platte mit ausgeprägter Teleangiektasie). Mikroskopisch zeigt sich ein Abschnitt von Epithelzellen mit großen hyperchromen Kernen und wenig Zytoplasma. Basallzellkarzinom stamm aus der Basalschicht der Epidermis.

Für ein Plattenepithelkarzinom ist das Vorhandensein von atypischen Zellen mit interzellulären Desmosomen und unterschiedlichem Grad der Keratinisierung typisch, die sich in das umliegende Gewebe ausbreiten (lokale Invasion). Äußerlich ist diese Art von Tumor sehr vielfältig, jede nicht-physiologische Hautformation mit undeutlichen Grenzen und heterogener Farbe, die blutet und lange nicht abheilt, sollte verdächtig sein.

Paragangliom ist ein Tumor neuroektodermaler Herkunft. Er stammt von parasympathischen Ganglien ab, die während der Embryogenese aus der Neuralleiste gebildet werden. Frauen erkranken häufiger, im Verhältnis von etwa 4:1 bis 6:1. Bei mikroskopischer Untersuchung werden neuroendokrine Zellen festgestellt, die in Clustern angeordnet sind, zwischen denen sich fibröse Septen und Stützzellen befinden. Der Tumor ist stark vaskularisiert, zeichnet sich durch ein expansives Wachstum aus und drückt mit zunehmender Größe auf die benachbarten Hirnnerven (N. facialis, N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accessorius, N. trigeminus). Otoskopisch findet sich eine hellbraune, hinter dem Trommelfell durchscheinende Masse, die in einigen Fällen in Form eines blutenden Polypen in das Lumen des äußeren Gehörgangs hineinragt und eine primäre Wachstumszone an der medialen Wand der Paukenhöhle im Bereich des Plexus tympanicus oder im Bulbus der Vena jugularis interna aufweist. Ein Paragangliom wird sehr selten maligne (5 %). Ein Zeichen für Bösartigkeit sind Fernmetastasen. Typische Lokalisationen dafür sind Lunge, Lymphknoten, Leber, Wirbelsäule, Rippen und Milz. Abhängig von anatomischer Lokalisation werden Paragangliome in 4 Typen unterteilt:

Typ 1 — auf die Paukenhöhle beschränkter Glomustumor (Paraganglioma tympanicum);

Typ 2 — nicht in den Knochen einwachsender Glomustumor, beschränkt auf die Mittelohrhöhle und den Bulbus der Vena jugularis (Paraganglioma jugulare);

Typ 3 — in den Processus mastoideus einwachsender Glomustumor;

Typ 4 — in die Schädelhöhle einwachsender Glomustumor. 

Ein angeborenes Cholesteatom manifestiert sich in Form von sogenannten Retraktionstaschen des Trommelfells mit Einwachsen des Plattenepithels in die Paukenhöhle, das mit der Zeit mit Cholesterinmassen bedeckt wird. Mit zunehmender Größe des Tumors kommt es zur kariösen Zerstörung der Gehörknöchelchen, die in Schalleitungsstörungen resultiert. Otoskopisch zeigt sich Cholesteatom als eine perlmutterfarbene Masse (daher der Name Perlgeschwulst) mit einem intakten Trommelfell, häufiger im Bereich des anteriorosuperioren Quadrants. Eine Voraussetzung für die Diagnose „angeborenes“ Cholesteatom ist die Intaktheit des Trommelfells sowie das Fehlen von Anzeichen früherer Entzündungen des Mittelohres bzw. operativer Eingriffe am Ohr.

Ein Schwannom des Nervus vestibulocochlearis wächst am häufigsten aus dem oberen Teil des Nervus vestibularis im Lumen des inneren Gehörgangs. Klinisch wird intrameatale und extrameatale Form unterschieden. Intrameatale Schwannome liegen im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels (Angulus pontocerebellaris), extrameatale Schwannome finden sich im Lumen des inneren Gehörgangs. Vom inneren Gehörgang aus können sie sich in die Schädelhöhle bis zum Angulus pontocerebellaris ausbreiten. Bei zunehmender Größe können beide Tumortypen nahe gelegene Gewebe (Hirnnerven, Kleinhirn, Hirnstamm) in Mitleidenschaft ziehen. Makroskopisch zeigt sich eine Proliferation spindelförmiger Schwann-Zellen mit undeutlichen Konturen, Verocay-Körper (anukleäre Zone, die von spindelförmigen Kernen umgeben ist).

Diese Tumorform zeichnet sich durch langsames expansives Wachstum aus, kann aber große Ausmaße erreichen (>2,5 cm) und bildet keine Metastasen.

Klinik 

Atherom des Ohrläppchens: außer der kosmetischen Beeinträchtigung kommt bei einem Abszess ausgeprägte Schmerzhaftigkeit hinzu.

Cornu cutaneum stellt eine kosmetisches Defekt dar und da es eine deutlich über dem Hautniveau erhabene Wucherung ist, kann sie auch häufig geschädigt werden. Es wurden Fälle des Cornu cutaneum 6 bis 10 cm lang beschrieben.

Basalzellkarzinom der Ohrmuschel ist eine langsam an Größe zunehmende, halbtransparente, heterogen gefärbte Hautmasse mit Ulzerationen, die selten Metastasen bildet. Die Basalzellkarzinom hat ein ausgeprägtes invasives Wachstum, das zu erheblichen kosmetischen Beeinträchtigungen führt. Basalzellkarzinome neigen stark zum Rezidiv.

Plattenepithelkarzinom der Ohrmuschel imponiert als eine erythematöse, squamöse, über dem Hautniveau erhabene Papille, häufig mit Ulzerationen und kann jucken oder bluten. Dieser Tumor wächst und metastasiert schnell und ist mit einem hohen Letalitätsrisiko verbunden. In den letzten Jahren hat die Häufigkeit dieser Krankheit zugenommen. Sie kommt häufiger bei Männern vor im Verhältnis von 3:1. Die schlechteste Prognose haben Personen mit Immundefekten, einschl. nach Organ- und Gewebetransplantationen, die eine immunsuppressive Therapie erhalten. Bei Karzinomen mit einem Durchmesser von mehr als 2 cm und einer Eindringtiefe von mehr als 2 mm, die auf der Kopfhaut, den Ohren oder der Nase lokalisiert sind, besteht ein hohes Rezidivrisiko.

Ein Paraganglioma tympanicum ist gekennzeichnet durch Schwerhörigkeit (ursprünglich als eine Schallleitungsstörung, anschließend auch neurosensorisch), pulsierendes Geräusch auf der betroffenen Seite und Lähmungen der Hirnnerven (N. glossopharyngeus, N. vagus und N. accessorius, seltener N. hypoglossus) aufgrund des Verschlusses des Foramen jugulare, wenn sich der Glomustumor im Bereich des Bulbus jugularis befindet. Breitet sich der Tumor in die Schädelhöhle hinein aus, treten Symptome einer Schädigung des Gehirns bzw. des Kleinhirns sowie Gesichtsnervenlähmung auf.

Ein angeborenes Cholesteatom verläuft lange asymptom. Betroffene suchen einen Arzt auf, wenn sie Hörverlust, Vestibulopathie, Fazialisparese oder intrakranielle Komplikationen entwickeln.

Beim Schwannom des Nervus vestibulocochlearis zeigen sich abhängig von der Tumorlokalisation unterschiedliche Symptome (allgemein und lokal). Häufig verläuft die Krankheit asymptom. Zu den lokalen Symtomen gehören Kompression des Nervus vestibulocochlearis und Begleitsymptome wie einseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit (positives Recruitment, fehlender Stapedius-Reflex), Geräusch im betroffenen Ohr und vestibuläre Erscheinungen (Spontannystagmus zum gesunden Ohr hin, Schwindelgefühl). Bei Kleinhirnkompression treten Dysdiadochokinese und Ataxie auf. Bei einem wesentlichen Tumorausmaß kommt es zum Anstieg des intrakraniellen Drucks und schwallartigem Erbrechen. Fazialis-, Trigeminus- und Abduzensparese können hinzukommen.

Diagnostik 

Atherom des Ohrläppchens wird klinisch beurteilt, jedoch wird aufgrund seiner Ähnlichkeit mit anderen subkutanen Formationen (Fibrom, Lipom) die endgültige Diagnose anhand des pathomorphologischen Befundes gestellt.

Der Hauthorn (Cornu cutaneum) wird anhand der Untersuchung und Anamneseerhebung diagnostiziert.

Zur Bestätigung des Karzinoms erfolgt eine gezielte Biopsie mit anschließendem pathohistologischem Nachweis.

Paragangliom und Cholesteatom werden in erster Linie otoskopisch diagnostiziert. Anschließend erfolgt eine hochauflösende CT- oder MRT-Untersuchung mit Gadolinium, um die genaue Lokalisierung des Paraganglioms und seine vaskuläre Genese zu bestimmen. Eine diffusionsgewichtete MRT wird zur Darstellung von Cholesteatomen verwendet. Vor einer chirurgischen Entfernung des Paraganglioms erfolgt Angiographie sowie Embolisation der tumorversorgenden Gefäße. Bei gesunden Angehörigen in Familien, deren Mitglieder bereits an einem Paragangliom erkrankt sind, wird ein genetisches Screening durchgeführt, um es im Frühstadium zu erkennen.

Bei Verdacht auf ein Schwannom des Nervus vestibulocochlearis werden eine umfassende audiologische Untersuchung (Ton- und Sprachaudiometrie, akustisch evozierte Potentiale, AEP) sowie Nystagmus- und Gleichgewichtstests durchgeführt. Außerdem ist eine MRT mit Gadolinium angezeigt, um die Lage des Tumors zu bestimmen.

Therapie 

Atherome werden chirurgisch entfernt. Dabei ist wichtig, die Kapsel zu entfernen, um ggf. ein Rezidiv zu verhindern. Im Falle einer Vereiterung der Formation wird diese geöffnet, der Inhalt abgesaugt, eine Drainage und ein aseptischer Verband angelegt, der bis zur vollständigen Heilung regelmäßig gewechselt wird.

Prämaligne Erkrankungen (Cornu cutaneum), Karzinome werden im Gesunden entfernt. Bei Gegenanzeigen erfolgt Strahlentherapie.

Angeborenes Cholesteatom wird exzidiert, evtl. mit anschließender Tympanoplastik.

Die Behandlung des Paraganglioms und des Schwannoms besteht in der vollständigen chirurgischen Entfernung des Tumors. Sollte dies nicht möglich sein, erfolgt eine teilweise Resektion mit anschließender Strahlentherapie (Gamma-Knife). Bei Kontraindikationen für einen operativen Eingriff bzw. bei älteren Patienten erfolgt nur Strahlentherapie. Bei einem kleineren Schwannom (ca. 1 cm) und Fehlen ausgeprägter Klinik ist die Therapie abwartend.

Das gesamte entfernte Gewebe unterliegt pathologisch-histologischer Untersuchung.