Vulvitis
Bei der Vulvitis handelt es sich um einen entzündlichen Prozess des Vulvagewebes, der sich bei verschiedenen Vulvaerkrankungen manifestiert. Die kleinen und großen Schamlippen, die Klitoris, der Schamhügel und der Scheidenvorhof (Vestibulum vaginae) können betroffen sein.
Vulvitis tritt am häufigsten bei Mädchen vor der Menarche und bei Frauen in den Wechseljahren auf. Dies ist auf einen niedrigen Östrogenspiegel zurückzuführen, der zu einer Ausdünnung und Trockenheit der Vulva führen kann. Dünnes Vulvagewebe ist einem höheren Verletzungs- und Infektionsrisiko ausgesetzt.
Es sei darauf hingewiesen, dass der entzündliche Prozess oft nicht allein die Vulva betrifft, sondern auch auf die Vagina übergreift; in diesem Fall wird eine Vulvovaginitis diagnostiziert.
Neben infektiösen Ursachen bestehen auch idiopathische Formen, wie die granulomatöse Vulvitis, die sich durch eine chronische, schmerzlose Schwellung der Genitalien mit histologischen Anzeichen einer granulomatösen Entzündung auszeichnet.
Eine besondere Kategorie von Vulvarkrankheiten bilden die Vulvadermatosen: Vulvadystrophie (Lichen sclerosus et atrophicus vulvae), Lichen ruber planus der Vulva, Lichen vidal (Lichen simplex chronicus), Vulvarekzem, Vulvapsoriasis, vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN), Ulcus vulvae, Ulcus vulvae acutum (Lipschütz-Ulkus).
Die Erreger der Vaginitis sind Vertreter der opportunistischen Mikroflora. 90 % der Vulvitis-Fälle sind durch die Vermehrung von Candida albicans, in anderen Fällen durch E. coli, Staphylococcus epidermidis, Streptococcus der Gruppe B, Enterobacterales-Arten usw. gekennzeichnet. Neisseria gonorrhoeae, Trichomonas vaginalis und Chlamydia trachomatis können ebenfalls Erreger sein.
Unter den Virusinfektionen ist das Herpes-simplex-Virus der Hauptauslöser.
In seltenen Fällen verursachen Erreger von Tuberkulose und Diphtherie eine Vulvitis.
Die Voraussetzungen für eine Infektion werden durch die Schädigung des Vulva-Gewebes durch verschiedene Faktoren geschaffen.
Prädisponierende Faktoren
Faktoren, die zu einer Störung der Haut- und Schleimhautintegrität im Bereich der äußeren Genitalien führen, sind u.a.
- Vulvovaginale Atrophie.
- Harninkontinenz – sie kann ein eigenständiger Auslöser sein oder in Verbindung mit einer längeren Verwendung von urologischen Einlagen auftreten.
- Endokrine und metabolische Störungen (Diabetes mellitus, Adipositas).
- Synthetische bzw. enge Unterwäsche, die eine Schleimhautverletzung verursachen kann.
- Allergische Reaktion auf gefärbtes oder parfümiertes Toilettenpapier, Binden oder Tampons, Seife, Vaginalsprays und Duschprodukte sowie Waschmittel und -spülungen, die aggressive Inhaltsstoffe enthalten.
- Längeres Tragen eines nassen Badeanzugs oder nasser Unterwäsche führt zu Mazerationen der Haut.
- Verletzungen bei Aktivitäten wie Radfahren oder Reiten.
- Spermizide, die eine allergische Reaktion hervorrufen.
- Kratzverletzungen der Vulva bei Skabies oder Filzlausbefall (Pediculosis pubis).
- Strahlentherapie.
Klinik
Die Beschwerden der Patientinnen sind unspezifisch und können Juckreiz, Brennen, Hyperämie und Ödeme, Fissuren und Exkoriationen, Ausschlag in Form von Makeln, Flecken, Papeln, Plaques, Knötchen, Vesikeln, Blasen oder Pusteln umfassen.
Die Hautformationen können sich farblich nicht von der Norm unterscheiden oder rot, weiß, braun oder schwarz sein.
Bei einer Vulvovaginitis geben Patientinnen einen abnormen fötiden Ausfluss an.
Eine chronische Entzündung der Vulva kann zu Schwellungen, Verdickungen und Verformungen der äußeren Genitalien und bei Mädchen zur Bildung von Synechien führen. In solchen Fällen berichten die Patienten über anhaltende Dyspareunie und Dysurie.
Gynäkologische Untersuchung
Bei Vulvadystrophie (Lichen sclerosus et atrophicus vulvae) sind vor allem die großen und kleinen Schamlippen, die Klitorisvorhaut und die Perianalregion betroffen. In der Regel ist die Vagina nicht miteinbezogen. Extragenitale Läsionen treten bei etwa 10 % der Patientinnen auf.
Bei der Untersuchung zeigt sich eine Blässe, die häufig atrophisch ist, bei atypischen Varianten aber auch hyperkeratotisch sein kann.
Purpura (Ekchymose) ist üblich und pathognomonisch für diese Dermatose. Eine Architekturstörung der äußeren Geschlechtsorgane kann zu einer Resorption der inneren Schamlippen und/oder der Mittellinie führen. Die Klitorisvorhaut kann mit der Klitoris verschmolzen sein, wobei die Klitoris selbst intakt bleibt. Gelegentlich werden Erosionen, Lichenifikation und Hyperkeratose beobachtet, jedoch sind es eher atypische Merkmale, die evtl. auf vulväre intraepitheliale Neoplasien hinweisen.
Die Veränderungen können lokal begrenzt sein (die Klitorisvorhaut ist eine typische Stelle) oder in Form einer Acht auftreten, einschließlich der Perianalregion.
Lichen ruber planus der Vulva wird aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes in drei Haupttypen unterteilt:
1. Klassisch - keratinisierte Anogenitalhaut zeigt typische Papeln mit oder ohne Striae auf der Innenseite der Vulva. Nach dem Abheilen der Papeln tritt eine Hyperpigmentierung auf, insbesondere bei Menschen mit dunkleren Hauttypen. Allerdings kann diese Form von Lichen planus völlig asymptomatisch sein.
2. Hypertroph – dieser Typ ist relativ selten und schwer zu diagnostizieren. In der Regel sind das Perineum und die Perianalregion betroffen, und zwar in Form von verdickten warzenartigen Ausschlägen oder Plaques, die ulzerieren, sich entzünden und schmerzhaft werden können, ohne auf die Vagina überzugreifen. Solche Erscheinungen können bösartige Neubildungen vortäuschen.
3. Erosiv – die häufigste Form. Auf der Schleimhaut sind Erosionen zu erkennen. An ihren Rändern befindet sich ein blassviolettes, spitzenartiges Netz (Wickham-Striae). Bleibt eine rechtzeitige Behandlung aus, heilen die Erosionen vernärbend mit Synechienbildung und einer vollständigen Vaginalstenose ab. Die Formationen können sich als brüchige Teleangiektasien mit fokalem Erythem präsentieren, die häufige Symptome wie postkoitale Blutungen, Dyspareunie und variablen serösen hämorrhagischen Ausfluss verursachen.
Lichen vidal (Lichen simplex chronicus) der Vulva ist meist mit einem atopischen Ekzem oder einer Schuppenflechte assoziiert, bei der chronisches Kratzen eine Lichenifikation d. h. eine verdickte, leicht schuppige, blasse oder erdige Haut zur Folge hat. Klinisch zeigt sich eine erythematöse Entzündung mit gering abgegrenzten Rändern. Es können sich Risse bilden. Die Haut erscheint sehr trocken (Xerose), leicht schuppig und kann bei einem chronischen Verlauf durch Kratzen verdickt und lichenisiert sein.
Die irritative Kontaktdermatitis ist in der Regel konfluierend und auf den Bereich beschränkt, der dem Reizstoff direkt ausgesetzt wurde.
Im Unterschied dazu kann bei der allergischen Kontaktdermatitis die betroffene Haut fleckig sein, die Ränder sind in der Regel undeutlicher und gehen über den Bereich des direkten Kontakts mit dem vermuteten Allergen hinaus. Die Symptome und Anzeichen einer allergischen Kontaktdermatitis treten üblicherweise 48-72 Stunden nach der Exposition der zuvor sensibilisierten Haut gegenüber dem Allergen auf. Bei schweren Allergien ist die Haut im Genitalbereich stark entzündet und geschwollen, manchmal auch mit Wunden, Blasen und Erosionen.
Das seborrhoische Ekzem zeigt sich in der Regel als leicht rosafarbene, glänzende, schlecht abgegrenzte Flecken mit einem hellen Belag. Die Hautveränderungen können sowohl die Schamregion, die Leistenbeugen und die Analregion als auch die Vulva betreffen. Charakteristisch ist die Lichenifikation, oft mit Exkoriation, sowie Verlust der Schambehaarung im betroffenen Bereich.
Vulvapsoriasis (Psoriasis genitalis) – klar abgegrenzte, hell erythematöse Plaques, in der Regel symmetrisch an den großen Schamlippen. Die Leistenfalten und perianale Haut sind häufig mitbetroffen. Es kann zu Rissen kommen, wobei Schuppen selten sind. Typisch ist die Mitbeteiligung anderer Körperregionen, z. B. Kopfhaut, Nabel, Fingernägel.
Das klinische Bild squamöser intraepithelialer Läsion (SIL) (früher vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN)) ist sehr vielfältig. Es kann sich um weiße oder erythematöse, igmentierte Plaques handeln, die oft warzenartig sind. Typischerweise sind multifokale Läsionen therapieresistent. Die Läsionen können hyperkeratotisch, erosiv oder ulzerös sein. Am häufigsten befallen sie die Klitorisregion, kleine Schamlippen und den Scheideneingang sowie die Innenseite der großen Schamlippen. Seltener bilden sie sich in der Perianal- und Dammregion.
Diagnostik
- Ausführliche Anamneseerhebung und gynäkologische Untersuchung.
- Ein Abstrich der betroffenen Stelle mit einem anschließenden DNA-Test stellen eine hochempfindliche Diagnosemethode dar. Sie dient dem Nachweis von Candida, Trichomonas vaginalis, Chlamydia, Neisseria gonorrhoeae sowie von E. coli, Streptococcus spp., Staphylococcus spp. u.a.
- Vulvoskopie.
- In den folgenden Fällen ist eine Biopsie notwendig:
- Die Diagnose kann nicht gestellt werden.
- Atypischer Krankheitsverlauf.
- Jeder Verdacht auf eine intraepitheliale Läsion oder einen bösartigen Prozess.
- Nicht-Ansprechen auf Mittel der ersten Wahl.
- Atypische Pigmentflecken.
- Patch-Test bei Verdacht auf eine sekundäre Allergie oder Kontaktdermatitis.
Therapie
- Antibiotika-Therapie. Bei Vulvitis, die durch eine bakterielle Infektion erschwert ist, werden topische Formen von Breitbandantibiotika eingesetzt. Werden Trichomonas vaginalis, Slamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae nachgewiesen, kommen spezifische Antibiotika zum Einsatz.
- Antimykotika werden zur Behandlung einer Vulvacandidose verabreicht. Eine Azolbehandlung führt bei 80-90 % der Patientinnen zu einer Linderung der Symptome. Es kommen u.a.
- Clotrimazol.
- Miconazol.
- Tioconazol.
- Butoconazol.
- Terconazol zum Einsatz
- Die antivirale Therapie zielt auf die Behandlung von Herpesinfektionen ab. Die empfohlenen Arzneistoffe sind u.a.
- Aciclovir.
- Famciclovir.
- Valaciclovir.
- Behandlung von Vulvadermatosen:
4.1. Vulvadystrophie (Lichen sclerosus et atrophicus vulvae):
- Therapie: Clobetasolpropionat;
- Alternative Therapie: Mometasonfuroat.
4.2. Lichen ruber planus der Vulva:
- Therapie: Clobetasolpropionat Vaginal: Clobetasolpropionat oder Prednisolon Zäpfchen;
- Alternative Therapie: Topisch Calcineurininhibitoren (unter hautärztlicher Verlaufskontrolle).
4.3. Vulvaekzem Atopisches Ekzem Kontaktdermatitis Seborrhoisches Ekzem:
- Therapie: Emollientien und Seifenersatzstoffe. In leichten bis mittelschweren Fällen sind topische Steroide einmal täglich ausreichend. Vermeiden von Reizstoffen;
- Alternative Therapie: Bei übermäßiger Entzündungsreaktion oder Lichenifikation kann Clobetasolpropionat eingesetzt werden. Sedativa. Antihistaminika.
4.4. Vulvapsoriasis (Psoriasis genitalis):
- Therapie: Topische Steroide;
- Alternative Therapie: Vitamin-D-Analoga. Steinkohlenteer-Gele und -Salben.










